Kino in Stein. Raumerfahrungskonzepte der Gegenwart in der antiken Villenarchitektur


Können Räume Kino sein? Kaiser Hadrian wäre davon überzeugt gewesen: Wer seine Residenz vor den Toren Roms besuchte, geriet in einen endlosen Schlauch aus Räumen, Höfen, Kuppeln, Blumenbeeten, Brunnen, Grotten, in denen sich mit fortschreitender Bewegung des Besuchers Licht und Schatten, Farben und Gerüche, Wasserrauschen und Vogelstimmen in immer neuen Variationen zu einem cineastischen Erlebnis verdichteten. Beschreibungen aus der lateinischen Literatur bezeugen eindrucksvoll, dass römische Villen von Zeitgenossen tatsächlich in eben diesem Sinne überwiegend atmosphärisch wahrgenommen wurden, als durchschreitbare Sequenzen von Ein-, Aus- und Durchblicken, Klängen, Gerüchen und Temperaturempfindungen. Architekten, Archäologen und Bauhistoriker der Neuzeit haben diese Sichtweise wenig zur Kenntnis genommen, war ihr Blick auf die Antike doch meist von intellektuell-formalistischen Konzeptionen eines traditionellen Klassizismus verstellt. So erscheint es folgerichtig, dass Le Corbusier den seinerzeit revolutionären Vorschlag einer neuen Raumwahrnehmung als ‚promenade architecturale‘ ohne Rückgriff auf die Antike formulierte. Das Projekt will zeigen, dass ein nicht-klassizistischer Blick auf die römische Villa, nämlich als Umsetzung eines Konzeptes sequentieller Sinnlichkeit des Bauens, für moderne Architekten und Architekturtheoretiker ein gewinnbringender Rückgriff und eine Bereicherung aktueller Diskussionen sein kann. Die Hadriansvilla dient als Testfall für Raumerfahrungskonzepte, die unter Architekten und Architekturtheoretikern gegenwärtig erst ansatzweise diskutiert werden. Dabei setzt sich die Untersuchung der archäologischen Befunde ein striktes methodisches Regulativ: Die ohnehin sehr schwierige Rekonstruktion nichtvisueller Sinneseindrücke in mangelhaft erhaltenen Kontexten wäre zum Scheitern verurteilt, versuchte man auch die individuelle, emotionale und psychologische Disposition des Subjekts zu berücksichtigen. Dieses Problem ist dadurch zu vermeiden, dass sich die Untersuchung lediglich auf intendierte Effekte beschränkt. Um in der Metapher des Kinos zu bleiben: Gesucht wird nach dem Drehbuch.

Verantwortlich:
Prof. Dr. Andreas Grüner

Kooperationen:
Universität Bamberg, Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften Institut für Klassische Philologie und Philosophie

Prof. Dr. Sabine Vogt
Prof. Dr. Christian Illies
Dr. Martin Düchs

Finanzierung:
Das Projekt wird finanziert durch die Forschungsinitative, „Originalitätsverdacht?“ Neue Optionen für die Geistes- und Kulturwissenschaften“ der VolkswagenStiftung

Weitere Informationen:

 Volkswagenstiftung