Machtszenarien – Scenarios of Power. Eine numismatische Ausstellung

Appetizer aus der Römischen Kaiserzeit: Innovative Präsentationsformen wissenschaftlicher Inhalte im Rahmen der Ausstellung „Machtszenarien / Scenarios of Power“

Durchführung: Dr. Elisabeth Günther mit den Studierenden des Museumspraktikums „Machtszenarien. Der römische Kaiser als Handelnder auf Münzen der Erlanger Antikensammlung“.

 

„Je kleiner, desto öfter“. Diesen Werbeslogan eines bekannten Schokoladenherstellers für didaktische Zwecke einzuspannen ist nicht ganz unberechtigt. In Zeiten von Twitter, Facebook, Instagram und anderen Social Media Netzwerken hat sich die Informationsaneignung der Nutzerinnen und Nutzer verändert. Bilder, kurze Texte, Memes, Podcasts und Videos treten gegenüber längeren Textpassagen in den Vordergrund und erreichen ein immer größeres Publikum. Eine Konsequenz ist die Anpassung der Informationsbereitstellung an diese neuen Formate. Diese werden denn auch von Museen und universitären Einrichtungen in den letzten Jahren zunehmend für Wissensvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit genutzt. Aber wie geeignet sind diese Formate, um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit antiken Objekten einem breiten Publikum zugänglich zu machen? Wie regen kleine, anschauliche Wissenshäppchen den Appetit bei der Wissensaneignung an?

Münzen als Appetithappen für Wissensdurstige

Einen Testballon, um die Möglichkeiten und Grenzen des veränderten Medienverhaltens insbesondere junger Leute auszuloten, starten derzeit die Studierenden der Archäologischen Wissenschaften an der FAU Erlangen-Nürnberg im Rahmen einer Lehrveranstaltung (Museumspraktikum). Die programmatische Inszenierung römischer Werte und Tugenden durch die bildliche Darstellung kaiserlichen Handelns wird im Zentrum einer von den Studierenden konzipierten Ausstellung stehen. Hierdurch werden moderne mediale Phänomene, wie etwa politisch motivierte Bildinszenierungen und Media-Framing, aufgearbeitet, reflektiert und so hinterfragt.
Für die Ausstellung eignen sich die römisch-kaiserzeitlichen Münzen der Antikensammlung der FAU in besonderer Weise. Zunächst waren Münzen aufgrund ihrer weiten und langen Umlaufzyklen sowie der hohen Produktionszahlen besonders dazu geeignet, ein großes Publikum zu erreichen und diesem ausgewählte Informationen zugänglich zu machen. Die Verbreitung politischer und ideologischer Botschaften nahm dabei seit der Römischen Republik einen hohen Stellenwert ein. Münzen werden daher auch als antikes „Massenmedium“ bezeichnet, auch wenn der Münzumlauf regional begrenzt und vom Nominal abhängig sein konnte. Bei der Machtinszenierung des römischen Kaiserhauses spielten Münzen somit eine entscheidende Rolle.

Alte Objekte in Neuen Medien: Binnendifferenzierte Wissensvermittlung

Münzbilder und -legenden lassen sich leicht in kleinere Einheiten zerlegen, welche wiederum mit Bedeutung aufgeladen und Teil des römischen Wertesystems waren. Gottheiten, Personifikationen von Tugenden sowie ritualisierte Handlungsabläufe sind auch auf anderen Bildmedien der Römischen Kaiserzeit, etwa Reliefs an Staatsmonumenten, wiederzufinden, wodurch die einzelne Münze einen exemplarischen Ausschnitt aus einer komplexen Bildsprache mit zahlreichen Querbezügen bietet. Damit servieren die römischen Münzen den Ausstellungsbesuchern mundgerechte „Wissenhäppchen“, die dann durch das Anbieten von Hintergrundwissen über die historischen, politischen und ikonographischen Kontexte der Münzen besser verständlich gemacht werden können. So werden die einzelnen Münzen miteinander in Bezug gesetzt und Kontinuitäten in der Bildmotivik über unterschiedliche Kaiserdynastien hinweg aufgezeigt.
Durch die Verknüpfung der Münzbilder mit dem Wortschatz der kaiserzeitlichen Bildsprache und durch die gegenseitigen inhaltlichen und formalen Bezüge der Münzen untereinander entstehen Wissensnetze, durch welche sich die Ausstellungsbesucher je nach Vorwissen und Vorlieben selbständig navigieren können. Umgesetzt wird dies durch eine digitale Präsentation der jeweiligen Münzen auf der Homepage des Instituts für Klassische Archäologie, auf der in Form einer Bildergalerie ein intuitiver, rein interessengeleiteter erster Zugriff für die Besucherinnen und Besucher der digitalen Ausstellung geboten wird.
Bei Anwählen des Bildes wird zunächst eine hochauflösende Aufnahme der Münze angezeigt, zu welcher ein kurzer Ausstellungstext erste Informationen liefert und das Objekt in seinen historischen Kontext einbettet. Zu der jeweiligen Legende und den einzelnen Elementen der Münzbilder wird man über Verlinkungen zu weiteren Unterseiten weitergeleitet, welche wiederum aufeinander verweisen. Die Besucherinnen und Besucher bewegen sich auf diese Weise virtuell durch die Ausstellung und folgen dabei ihrem persönlichen Interesse am Themengebiet. Desweiteren werden übergreifende Themenseiten angeboten, über welche sich die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher einen Überblick über die römische Münzprägung verschaffen können, etwa über die Chronologie der Römischen Kaiserzeit und die jeweiligen Dynastien, über Münzprägetechnik und Münzfüße, über die kaiserzeitliche Gesellschaft, die Rolle des Militärs, die antike Ökonomie usw.
Dadurch liefert die Onlineausstellung automatisch eine Differenzierung in Bezug auf das zu erwartende breite Publikum, und zwar je nach Vorwissen und Interessenlage, und passt sich dem individuellen Zugriff des Besuchers an. Im Sinne des Slogans „je kleiner desto öfter“ wird die Neugier auf immer neue, weiterführende Informationen geweckt und damit die Verweildauer der Nutzerinnen und Nutzer in der Onlineausstellung gesteigert.

Die Umsetzung: Kreativität erforderlich

Dies bedeutet für die konkrete Umsetzung der Ausstellung, dass die Studierenden die wissenschaftlichen Fragestellungen, welche sie im Vorfeld der Ausstellungsvorbereitung an die Münzen gerichtet haben, in kurzen, prägnanten und allgemeinverständlichen Texten vermitteln müssen. Dabei lernen die Studierenden, die Relevanz des Objekts für die Ausstellung hervorzuheben und die Aufmerksamkeit der Besucher zu wecken, etwa durch Bezugnahme auf analoge Phänomene im alltäglichen Leben, aktuelle Ereignisse oder „fun facts“.
Neben Texten werden Videos und Schaubilder angeboten, wobei der Kreativität der Studierenden keine Grenzen gesetzt sind. Kurze Videos können komplexere Zusammenhänge anschaulicher vermitteln als langwierige Texte und erhalten die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher aufrecht. Zudem kann die Attraktivität der Onlineausstellung durch eine abwechslungsreiche Vielfalt unterschiedlicher medialer Formate gesteigert werden und damit auch die Bereitschaft, sich mit dem umfänglichen Hintergrundwissen vertraut zu machen, welches für die Kontextualisierung der Einzelobjekte erforderlich ist.

Die Ausstellung als Kooperationsprojekt – an der FAU und international mit IHACOINS

Hilfestellung bei dem Erstellen von Podcasts und Videos erhalten die Studierenden von Dr. Lara Mührenberg, welche sich am Institut für Christliche Archäologie für die Digitalisierung von Forschung und Lehre einsetzt. Das inverted classroom-Projekt der Christlichen Archäologie, CA 2.x, bietet so Anknüpfungspunkte für die Klassische Archäologie. Die neue Rechen-Werkstatt der Archäologischen Wissenschaften gewährleistet eine geeignete Infrastruktur für die Konzeption und Umsetzung der Ausstellung und kam im Verlauf mehrfach zum Einsatz.
Auch über die Grenzen der FAU hinaus bietet die Ausstellung Möglichkeiten zur Kooperation. Geplant wurde die Onlineausstellung gemeinsam mit IHACOINS, einem numismatischen Projekt des Institute for the History of Ancient Civilizations (IHAC) an der Northeast Normal University in Changchun (Nordostchina). Die dortige numismatische Sammlung wird bereits über die Social Media-Plattform Wechat einem breiten chinesischen Publikum zugänglich gemacht.

Die Erlanger Ausstellung wurde gemeinsam mit dem IHAC vorbereitet, wobei deutsche und chinesische Studierende parallel die Münzen der jeweiligen Sammlungen in fünf Themenbereichen (Personifikationen von Werten und Tugenden; Religion; Militär; kommunikative Akte; besondere Festivitäten und Jubiläumsfeiern) bearbeiten und Texte sowie Videos für die Ausstellung entwerfen. Am 19.06.2019 wurden die jeweiligen Ergebnisse per Videokonferenz über Adobe Connect in einem Blocktermin ausgetauscht und diskutiert. Die Ausstellungsobjekte entstammen somit nicht nur der Erlanger Antikensammlung, sondern auch der Sammlung des IHAC.
Die Inhalte der Ausstellung werden in deutscher, englischer und chinesischer Sprache zugänglich sein. Damit soll einerseits der interkulturelle Austausch der Studierenden gefördert, andererseits das Interesse chinesischer Austauschstudentinnen und -studenten in Erlangen für die Ausstellung geweckt werden.
Die Münzen der Antikensammlung der FAU sind bereits größtenteils über die Onlineplattform des Projekts NUMID abrufbar, welche Fotografien sowie die wichtigsten Angaben zu den jeweiligen Münzen enthält. Die Ausstellung erweitert diese Daten, da auch Münzen der Soldatenkaiser, der Tetrarchie und der konstantinischen Zeit in die Ausstellung integriert werden, die bislang noch nicht zugänglich sind.

Digital und analog: Eröffnung einer mit der Website gekoppelten Posterausstellung am 27.11.2019

Die Onlineausstellung „Machtszenarien“ bietet einen dauerhaften Auftritt der numismatischen Sammlung über die Institutshomepage. Voraussetzung für den Besuch fachfremder Interessierter ist aber ein öffentlichkeitswirksamer analoger Zugang über eine Posterausstellung im Ausstellungsraum der Erlanger Hauptbibliothek.
Die Präsentation von Münzen im Rahmen einer Ausstellung erfordert besondere Kreativität. Aufgrund ihrer geringen Größe und der Tatsache, dass bei einer Präsentation in Vitrinen stets nur eine Seite sichtbar ist, sind die Originalobjekte nur von geringer Attraktivität und eignen sich isoliert wenig bis kaum als Besuchermagnete. Stattdessen setzt die Posterausstellung auf großformatige, hochauflösende Fotografien der Münzen. Die Ästhetik der Münzen, die dank ihrer individuelle Objektbiographie trotz Serienproduktion Unikate sind – verursacht durch kleine Fehler beim Prägeprozess, Abnutzungen und Veränderungen der Oberfläche durch Patina –, soll die Besucher ansprechen und deren Neugier auf die Geschichten hinter den Bildern und Legenden wecken.
Über QR-Codes werden die Bilder und Texte auf den Plakaten mit der Institutswebsite verlinkt, sodass die Besucherinnen und Besucher jederzeit zwischen analoger und digitaler Ausstellung wechseln können.

Die Posterausstellung ist vom 27.11. bis zum 09.12.2019 im Ausstellungsraum der Universitätsbibliothek zugänglich.